Der Tierrechtskongress 2011 in Wien

Partei Mensch Umwelt Tierschutz vor Ort…

Vom 08. – 11. Dezember 2011 fand in Wien/ Österreich der 4. Tierrechtskongress statt. Sabine Pankau, Astrid Suchanek und Michael Siethoff von der Partei Mensch Umwelt Tierschutz waren dort mit einem Info-Stand vertreten – neben der Veganen Gesellschaft Österreichs, den „Kreaktivisten“, dem Verein „RespekTiere“ aus Salzburg und weiteren Organisationen. Während der vier Tage fanden zahlreiche Vorträge, Workshops, Arbeitskreise, Filmvorführungen und Ausstellungen statt – mit ReferentInnen aus dem deutschsprachigen Raum, aber auch aus Italien, Norwegen und anderen europäischen Ländern. In zeitweise bis zu drei verschiedenen Räumen gab es von der praktischen Tierrechtsarbeit bis hin zu universitären/wissenschaftlichen/philosophischen Aspekten im Tierrechtsbereich wohl so ziemlich alles zu hören, was man zu diesem Thema wissen sollte.

Einen Themenschwerpunkt bildete dabei natürlich das Verhalten der österreichischen Polizei und Justiz im Zusammenhang mit der skandalösen Verfolgung der Tierrechts- und -schutzszene nach § 278a des österreichischen Strafgesetzbuches (siehe Infobox). Dies wurde z.B. thematisiert in der Ausstellung und im Vortrag des TR-Künstlers Chris Moser oder beim humorigen Vergleich des Tierschutzprozesses mit einem realen historischen Hexenprozess durch den Germanistikprofessor Max Siller. Das Mensch-Tier-Verhältnis wurde in vielen Facetten beleuchtet, so z.B. gleich im ersten Vortrag von Prof. Gabriela Kompatscher von der Uni Innsbruck, die über „Tierschutz-Avantgarden und Freundschaften mit nichtmenschlichen Tieren in der Antike und dem Mittelalter“ berichtete. Aber auch mit handfesten Tierrechtskampagnen wurde man bekannt gemacht, z.B. von Mahi Klosterhalfen von der Albert-Schweitzer-Stiftung, der die „Käfigfrei-Kampagne“ in Deutschland vorstellte, oder von einem italienischen Aktivisten, der den Anwesenden die dortige „Fermare Green Hill Campaign“ näherbrachte.

Sebastian Zösch vom Vegetarierbund machte in einem Vortrag einige Vorschläge, wie Kampagnen grundsätzlich besser laufen könnten.

 

Der Bogen wurde bei diesem Kongress weit gespannt – über die Schadstoffbelastung veganer Lebensmittel wurde berichtet sowie über das Thema Nährstoffe allgemein; die Verbindung von Speziesismus und menschenbezogenen Benachteiligungsformen wurde thematisiert, desgleichen Hundeerziehung aus tierrechtlerischer Sicht und theologische Fragen zu Tierschutz und Tierrechten sowie deren Behandlung im Unterricht. Ein weiteres Thema war die Hühnerschlachtfabrik in Wietze und der Widerstand dagegen u.v.m.

Die einzelnen Bereiche, über die sich die mehreren Hundert Kongress-BesucherInnen informierten bzw. an denen sie mitarbeiten konnten, lassen sich an dieser Stelle nicht alle aufzählen.

Bei einem solchen Treffen ist – neben konkreten Angeboten – ein mindestens ebenso wichtiger Aspekt das Zwischenmenschliche. Man steht plötzlich Menschen gegenüber, die man vorher vielleicht nur virtuell oder gar nicht kannte. Neue Kontakte werden geknüpft, alte aufgefrischt.

Der Tierrechtskongress 2011 in Wien war nicht nur für den veranstaltenden VGT (Verein gegen Tierfabriken) ein Erfolg, sondern sicherlich für alle TeilnehmerInnen. Neben all den Vorteilen des Internets und den dadurch vorhandenen Möglichkeiten der Vernetzung ist die reale Ansprache zweifellos noch immer die beste Verbindung zwischen den Menschen. In Wien spürte man: Dies war ein Treffen von motivierten Menschen, die sich, jeder auf seine Weise, für Tierrechte einsetzen möchten oder es bereits tun. Die diesjährige Tierrechtsveranstaltung hat zweifellos der Bewegung insgesamt und jedem Einzelnen einen positiven Schub verliehen!

Infobox:

Ab dem Jahr 2006 wurden die Strafverfolgungsbehörden in Österreich aktiv und sammelten vermeintliche Beweise in aufwendiger und kostenintensiver Ermittlungsarbeit. Es sei hier gleich betont, dass keinem der betroffenen Personen auch nur eine konkrete Straftat oder auch nur eine einzige Ordnungswidrigkeit nachgewiesen werden konnte. 2008 fanden dann Hausdurchsuchungen statt, und 10 Personen wurden für bis zu 3 ½ Monate in Untersuchungshaft genommen.

Das Ganze mündete dann in einen Prozess nach § 278a des österreichischen Strafgesetzbuches. Den angeklagten TierrechtlerInnen wurde die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Ein absurder Vorwurf, wurde besagte Rechtsvorschrift doch eingeführt, um Menschenhändler, Waffenschieber und andere Schwerverbrecher aburteilen zu können. Stattdessen wurden legal arbeitende AktivistInnen von Tierschutz- und -rechtsorganisationen jahrelang abgehört, ihre E-Mail-Korrespondenz wurde abgefangen und gelesen, es kamen rechtswidrig eingesetzte V-Leute zum Einsatz.

Dabei muss den Angeklagten nach § 278a gar keine konkrete Straftat nachgewiesen werden können, sondern es reicht die Mitgliedschaft in einer “kriminellen Vereinigung“. Dass sich die zehn Inhaftierten wegen inhaltlicher Differenzen mitunter überhaupt noch nie gesprochen hatten, sie noch nie zusammen Demonstrationen organisiert oder Flugblätter erstellt hatten – dies alles interessierte die österreichischen Behörden nicht. Dem Tierrechts-Künstler Chris Moser wurde in dem Prozess tatsächlich zum Vorwurf gemacht, dass er mit seiner künstlerischen Arbeit seine tierrechtlerische Gesinnung zum Ausdruck bringen wollte…

Der Prozess endete vorläufig mit einem Freispruch in allen Punkten für sämtliche Angeklagte. Allerdings steht noch die schriftliche Begründung des Urteils durch die Richterin aus. Der Staatsanwalt kann dann gegen die Freisprüche noch in Revision gehen. So oder so werden alle Angeklagten bzw. jetzt Freigesprochenen noch lange mit den Folgen zu kämpfen haben. Sie müssen zum einen die zum Teil geheimen Verfolgungsmaßnahmen durch die Behörden und die mehrmonatige Inhaftierung psychisch verarbeiten und zum andern die finanziellen Folgen tragen. Im Gegensatz zum deutschen Recht erhält ein Freigesprochener in Österreich die Kosten für die anwaltliche Vertretung nicht bzw. nur in marginaler Höhe erstattet. 6-stellige Beträge sind hier von jedem Einzelnen zu tragen – und dies bei einer einjährigen Prozessdauer, während derer zweimal in der Woche Termine anberaumt wurden.

Der österreichsche Staat und seine Justiz haben sich durch ihr Vorgehen auch international massive Kritik, u.a. von Amnesty International eingehandelt. Im Übrigen ist es ist nichts weniger als skandalös, dass keine irgendwie geartete Wiedergutmachung des Unrechts an den TierrechtlerInnen stattgefunden hat – eine Schande für die österreichische Justiz!

Michael Siethoff