Tiere im Krieg

Seit dem 24. Februar 2022 ist das Thema Krieg wieder sehr nahe an uns herangerückt. Ein Thema, das die Grenzen des Politischen sprengt und fundamentale ökonomische, soziologische, ethische und ontologische Fragen aufwirft. Eine Frage, die viel zu selten gestellt wird, lautet: Wie verantworten wir Menschen das Leid von Tieren im Krieg? Niemand kann sich um eine Antwort drücken, die oder der aktiv an Kriegshandlungen beteiligt ist oder sie auch nur duldet. Der Verweis auf die Gegenseite als Kriegsverursacher entbindet nicht von der eigenen Verantwortung, denn kein Tier unterscheidet zwischen legitimem und illegitimem Krieg. Für Tiere gibt es auch keine Nationen und keine Grenzen, die es zu schützen oder auszuweiten gelte. Sie sind unschuldige und unwissende Opfer menschlichen Treibens.

Haustiere

„Haustiere“ sind militärischen Angriffen mindestens ebenso ausgesetzt wie Menschen – oft sogar stärker, da sie selbständig keine Schutzräume aufsuchen können. Und Tiere leiden unter ganz ähnlichen Verletzungen: offene Wunden mit Infektionsrisiko, Verlust von Extremitäten, Erblindung, psychische Traumata. Besonders schlimm ist die häufig vorkommende Trennung von ihren Bezugspersonen, wenn diese überstürzt den Wohnort verlassen mussten oder ums Leben gekommen sind. Zum physischen und psychischen Leid tritt oft ein akuter Nahrungsmangel hinzu. In umkämpften Städten finden sich daher unterernährte, invalide, psychisch labile Tiere; darüber hinaus meist zahllose Tierkadaver.

Hoftiere

„Hoftiere“ wie Kühe oder Schweine verlieren ihr Leben oft auf grausame Weise durch Beschuss ihrer Stallungen oder durch Landminen, die ihre Körper zerfetzen. Werden sie nicht sogleich getötet und ist der Landwirt nicht mehr in der Lage, sie zu versorgen, erwartet sie oftmals ein noch schlimmeres Schicksal: Sie verdursten und verhungern in ihren Ställen oder irren hilflos umher. Am qualvollsten ergeht es den Kühen, die nicht mehr abgemolken werden und die unter der Last ihrer Euter zusammenbrechen. Das passiert nicht nur, wenn sie verlassen wurden – auch eine Störung der Elektrizitätsversorgung hat zur Folge, dass die Melkanlagen nicht mehr betrieben werden können. Manche Landwirt:innen greifen dann zum Mittel der sogenannten Notschlachtung. Die Zahl der verendeten „Hoftiere“ geht bei kriegerischen Auseinandersetzungen schnell in die Millionen, zumal Stallungen oft auch bewusst angegriffen werden, um die Ernährungslage der Bevölkerung zu destabilisieren.

Wildtiere

Auch Wildtiere sind Artillerie- und Raketenbeschuss ausgesetzt, sterben oder werden in ihrer Brutpflege gestört. Manche Tierarten ziehen sich aus umkämpften Gebieten zurück – Zugvögel zum Beispiel umfliegen Kriegsgebiete –, was wiederrum zu einer Störung des ökologischen Gleichgewichts führt. Zudem findet in Zeiten von Nahrungsmangel eine intensive Bejagung durch den Menschen und eine stärkere natürliche Auslese statt.

Zootiere

Zootiere, sofern sie nicht evakuiert werden können, sind im Krieg nur schwer vor Angriffen zu schützen. In der Ukraine wurden zahlreiche Zootiere in unterirdische Gänge verbracht, wo eine auch nur annähernd artgerechte Haltung unmöglich ist. Zudem ist die Versorgung mit adäquatem Futter mitunter nicht mehr zu gewährleisten.

Tiere im Kriegseinsatz

Seit etwa 4000 Jahren werden Pferde in kriegerischen Auseinandersetzungen eingesetzt. Millionen Pferde kamen auf den unzähligen Kriegsschauplätzen dieser Welt ums Leben. In Europa starben im Ersten Weltkrieg beispielsweise rund 8 Mio. Pferde. Die Bedeutung von Reittieren für die Kriegsführung hat inzwischen stark abgenommen, doch dafür werden nun andere Tiere eingesetzt: Hunde und manchmal auch Ratten für die Mienen- und Giftgassuche, Maultiere, Kleinpferde und Kamele für den Transport von militärischem Gerät in unwegsamem Gelände, Delphine und Seelöwen, die in Unterwasserkäfigen gehalten werden, für die Warnung vor dem Feind.

In Kriegen werden Tiere teils bewusst und willentlich geschädigt, ausgebeutet und umgebracht, teils passiert das im Zuge sogenannter Kollateralschäden. Wenn man nicht davon ausgeht, dass der Mensch einen Sonderstatus in der Welt genießt, sondern aus ethischer Sicht äquivalent ist zum Tier, dann kann es aus dem, was Tiere in Kriegen zu erleiden haben, nur eine einzige Konsequenz geben: die Verpflichtung auf einen bedingungslosen Pazifismus. Solange ein solcher nicht umgesetzt wird, ist es unsere Pflicht, dem Schutz und der Rettung von Tieren in kriegerischen Auseinandersetzungen unsere ganze Aufmerksamkeit zu schenken.

 

„Die Entscheidungen und Handlungen des Menschen haben prägende und gravierende Auswirkungen auf den Planeten und auf andere Spezies. Menschen haben sich das Tier mehr oder minder skrupellos dienstbar gemacht, es domestiziert, trainiert, ausgebildet und sich dabei oftmals keine oder nur wenige Gedanken darüber gemacht, ob Tiere Lebewesen mit einer eigenen Dignität sind. (…) Der militärischen Nutzung des Tieres und der Betroffenheit des Tieres durch militärische Gewalt und Krieg, das zeigt das aktuelle Beispiel des Krieges in der Ukraine, sind somit auch für die Zukunft kein Einhalt geboten.“
Quelle: https://zms.bundeswehr.de/de/mediathek/dossier-ukraine-kuemmel-tiere-im-krieg-5559574