Der schöne Schein trügt

Wie sich die Reichen an den Armen bereichern

Wir leben offenbar im Zeitalter der Entzauberung! Da rühmt sich zum Beispiel die Deutsche Bank der „Leistung aus Leidenschaft“, betreibt aber wohl eher illegale Transaktionen „aus Leidenschaft“! Der Hoeneß Uli mutiert vom Vorzeigepräsidenten zum Steuerbetrüger und stürzt sich damit selbst vom Sockel. Und nun, wer hätte das gedacht, entpuppt sich Daimler aus der superreichen Nobelkarosserie-Branche als mieser Ausbeuter von Leiharbeitern und betreibt Lohndumping.

Drei Beispiele aus der „feinen Gesellschaft“, die mühelos fortgesetzt werden könnten.

Offenbar kann man heutzutage nur durch „Undercover-Recherche“ die Wahrheit hinter den glitzernden Kulissen erkunden! Wie in der Dokumentation „Hungerlohn am Fließband“ (13. 05, ARD) zu erfahren war, nahm der Journalist Jörg Rose – im Stil von Günter Wallraff – die Identität eines einfachen Schichtarbeiters an, bewarb sich, als Vater von vier Kindern, bei Daimler und wurde von der Leiharbeitsfirma Preymesser unter Vertrag genommen. Die aber fährt offenbar mittlerweile doppelgleisig: Nachdem für Leiharbeit höhere Löhne erstritten worden waren, erfand man den an Billigkeit kaum zu unterbietenden „Werksvertrag“, eingeführt auch vom raffgierigen Daimler-Konzern.

Mit versteckter Kamera dokumentierte Rose seinen Arbeitsalltag: Bis an den Rand der täglichen Erschöpfung hatte er ohne Ende superschwere Zylinderköpfe aus- und wieder einzupacken – für 8,19 Euro die Stunde. Lohndumping in Reinkultur! Entgegen den gesetzlichen Vorschriften arbeitete er als „Billiglöhner“ eng mit der – die gleiche Arbeit verrichtenden – Stammbelegschaft zusammen, laut Gesetz eine „unerlaubte Arbeitnehmer-Überlassung“ und damit Sozialversicherungsbetrug, so der renommierte Arbeitsmarktforscher Professor Stefan Sell. Der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ – hier wird er zur Farce.

Billiglöhner als Arbeiter zweiter Klasse: So behandelt z. B. der Betriebsarzt nur bei der Stammbelegschaft die gravierenden Rückenprobleme aufgrund der schweren Arbeit, denn nur mit ihnen werden Leistungsvereinbarungen getroffen. Sparen auf Teufel komm raus! Und dies auf dem (kaputten) Rücken der billig Entlohnten (hier passenderweise im Wortsinne…).

Ein besonderes Kapitel ist die äußerst unterschiedliche Entlohnung. So verdient eine junge Frau mit einer 35-Stunden-Woche 3 577,- Euro monatlich; dazu kommen noch etliche Zuschläge. Dem „armen Schlucker“ mit Werksvertrag bleiben gerade einmal netto 991,- Euro von seinem Lohn. Die Folge: Analog dem Harz-IV-Aufstockermodell zahlt der Staat (= der Steuerzahler!) jeweils 1 550,- Euro monatlich drauf. Mit anderen Worten: Daimler lässt sich vom Steuerzahler subventionieren! Ein Skandal der Extraklasse.

Die Politik beteiligt sich also an solch anrüchigen Geschäften und unterstützt die Lohndumping-Strategie (und damit ihre Ausweitung) mit sage und schreibe 8,7 Milliarden Euro Steuergeldern. Wen wundert´s, wenn die berühmte Schere zwischen Arm und Reich dank Schwarz-Gelb immer weiter auseinandergeht!

Das soziale Gefüge gerät auf diese Weise mehr und mehr ins Wanken und droht auseinanderzubrechen, wenn auf der einen Seite die Gewinne gigantische Höhen erreichen und auf der anderen die Löhne immer weiter gedrückt werden. Die Folge ist modernes Tagelöhnertum, ist die Versklavung eines großen Teils der Bevölkerung.

Daimler will seinen Gewinn von 8 Milliarden Euro auf 9 Milliarden steigern. Der Stolz des Steuerzahlers, dass er einem Nobelkonzern dabei zu Diensten sein darf, dürfte sich in Grenzen halten.